"Ich habe verstanden; auch du und ich können Journalisten mimen. Wir sind allerdings bevorteilt, dass wir unser Schreiben selbst erlernten, näher beim Leser stehen und mit unsrem Namen posaunen, während sich die Journalisten hinter einem Zeitungstitel verbergen und zur Sättigung ihrer Eitelkeit am Lebensabend eine Anhäufung ihrer Gedanken in einem Buch veröffentlichen. Jetzt muss es sich nur noch wirtschaftlich auszahlen. Aber dies wird kommen!

Der Leser möchte sich in einem Blog widerspiegeln. Er besucht nur jene Blogs, die ihn auch in seiner Identität bestätigen und vergewissern, dass er sich auf der richtigen Spur der Selbstsuche befindet." Aus Der Verwerter

Die Diskussion über das Wer und Was des Bloggings ist nicht mehr neu, eifrig wird reflektiert und geschrieben im Schatten der großen Mainstreammedien. Wenn auch der Blog bei der Mehrheit der Menschen noch nicht den selben Stellenwert einnimmt wie die "professionelle" Konkurrenz. Hier ein paar kurze Gedankenstriche:

- Bloggen ist das Schreiben aus dem Auge des Sturm des Informationszeitalters, wo gleichzeitig die Tagesschau streamt, ein Gebot auf Ebay verfolgt wird und aus Internetradios religiöse, wirtschaftliche oder humoristische Perspektiven um unsere Aufmerksamkeit wetteifern.

- Bloggen befreit Körper, Geist und Seele, ganz faktisch. Die Muskeln der Fingern spannen und entspannen sich beim Schreiben, die Durchblutung erhöht sich, Gedanken kommen und gehen, dürfen kommen und gehen ohne von vorneherein als dem Textgenre "unpassend" abgestempelt zu werden und mann dann sagt:"Poesie ist nicht Prosa. Prosa ist nicht Poesie. Ein Zeitungsbericht enthält per Definition nur offiziell abgesegnete Teile seines Autors " Die Seele kommt dann ins Spiel, wenn wir all diese verschiedenen Perspektiven, die wir sind und leben, aus vollem Herzen bereit sind zu leben und nicht mehr unsere eigene "Heiligkeit" beschränken, was nicht anderes als Ganzheit, Unausschließlichheit meint.

- Bloggen ist anspruchsvolle Kost und zugleich schnellebig. Jahrelanges Herumfeilen lohnt sich nicht. Kein Hahn kräht nach dem Blog vom letzten Jahr.

- Bloggen steht und fällt mit dem Leser. Blogs, die häufig frequentiert werden, führen zu mehr Einträgen, Blogs, die keiner liest, halten sich nicht lange. Es ist wie bei anderen Texten auch, nur das hier die Rapidität noch viel größer ist, der Austausch, der Wechsel, täglich tausende von Neuen und unzählige Meer, die unbeachtet auf Servern verstauben, mit Adressen, die selbst ihre Autoren vergessen haben und zu denen auch keiner mehr das Passwort weiß. Durch Kommentare kann der Leser sofort ins Geschehen, in Diskussionen mit eingreifen. Es ist wie als sieht man im Fernsehn ein Gespräch und klinkt sich mit ein, als liest man drei Absätze in einer Zeitung, bekommt eine Idee, teilt sie dem Journalist mit und der Journalist lässt sie sofort beim nächsten Eintrag mit einfließen.

- Bloggen ist weder vernünftig, noch unvernünftig. Bloggen kann jeder. Gebloggt wird, was gebloggt werden kann, von Kuchenrezepten über antifaschistische Parolen, Yoga-Posen, soziale Studien, theologische Mysterienforschung, psychologische Experimentprotokolle bis hin zur Poesie von neunjährigen Greisen, die in Baumhäusern verschanzt Worte durch die Straßen fluten.Kurz: Alles, das Universum, die Welt und den Rest

- Bloggen ist die Aufhebung der Infrastruktur zwischen Autor und Leser. Die materielle Welt macht keinen Unterschied mehr, wo das Papier weg ist. Eine kleine Fantasiereise: Am Flughafen Schönefeld in Berlin schreibe ich einen neuen Eintrag, und schicke ihn ab. Noch bevor mein Flugzeug endlich nach New York startet, ist der Blogg bereits lesbar, vielleicht mit eventuellen Rechtschreibfehlern, die im Eifer des Gefechts mittendurch fielen, dennoch kann er in den langen Stunden Flugzeit bereits kommentiert werden. Jemand aus Namibia stimmt mit einem Punkt überein. Jemand aus Usbekistan untermauert mein Argument. Ein schwedischer Geologe am Nordpol lädt ein Blick aus seinem Fenster hoch und nennt den Kommentar "ohne worte". Und als ich in New York ankomme, noch jet-lagging-mäßig in den Seilen häng, sofort schlafen geh, geht die Diskussion weiter, von Hawaii über Bangkok nach Minsk....... /

- Bloggen ist das Medium mit der kleinsten Abhängigkeit zu Raum und Zeit

- Bloggen macht Spaß

- Bloggen ist Allgemeingut in individueller Hülle

- Bloggen kann erhellen und inspirieren (vorrausgesetzt man projeziert nicht zu viel und betreibt keine digitalen Hexenjagden, die am Ende doch nur auf den eigenen Schweinehund abzielen)

- Bloggen kommt von Web Log:

Cause We are the Web of Life
Logged into the Love of God




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Comments (2)

On 6:30 PM , Sven hat gesagt…

Hallo Andre´Du kreativer nimmersatter Irwisch!
Deine Projekte sind immer überraschend und erfrischend zu lesen.Die Auseinandersetzung mit dem Phänomen Bloggen kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. Gestern wäre zu früh morgen zu spät.
Ich staune immer wieder zu was für einer unglaublich einfachen künslerisch völlig freien Lebendigkeit diese Blogosphäre angewachsen ist...

Liebe Grüße

Sven

 
On 2:41 PM , Tironovo hat gesagt…

le blog yea
In China bloggen sich zur Zeit einige Ex-Journalisten voller Elan durch eine nie immer ganz fugendichte Internetzensur und spülen in schwallweise brechenden Wellen ihre lang zurückgehaltene Kritik und Meinung an die Bildschirmoberfläche und werden berühmt. Das Internet verzweigt sich immer mehr, gleicht einem riesigen Gehirn. Und genauso wie die chinesische Regierung meine Gedanken schlecht kontrollieren kann, so wird dieses riesige Gehirn auch immer schwerer zu kontrollieren und spuckt im ganzen Land die Wahrheit in Form von Bits und Bytes an die Oberfläche. Der Blog als flimmernd friedliche Demonstration denkt ein Land Richtung Freiheit.

http://www.zeit.de/2006/21/china_xml