Meine Eltern machten mir zu meinem vierundzwanzigsten Geburtstag das größte Geschenk, das man mir machen konnte: Ein Gedichteband meines Ur-Ur-Urgroßvaters, ein Buch, mehr als hundert Jahre alt, und doch gut erhalten aus einem Oldenburger Antiquariat, aufgespürt im Internet. Die Sammlung heißt "Am Lebensborn" und ich finde in den Zeilen meines Ahnen die selbe süße Schönheit, die mich den persischen Dichter Hafiz lieben lässt, wie den chinesischen Han-Shan oder auch unsren Goethe. Wo das Sprechenlassen freier Herzen Nationen und Zeiten hinter sich lässt, wie Sternschnuppen. Hier eine kleine Kostprobe:

Nur des Lichtes reine Wellen
Die vom Meer des Schönen kommen
Sie vermochten darzustellen
Deine Züge mir, die frommen.

Denn du selber bist entsprossen
Aus dem Land des Idealen
Und die Sonne, lichtumflossen
Malt man nur mit Sonnenstrahlen

Aus dem engen Bund des Schönen
Wird das Schöne nur geboren
Und in Farben und in Tönen
Geht es nimmermehr verloren.

Himmlisch sind die Menschenaugen
Die da schweifen nach den Fernen
Die vermögen einzufangen
Einen Himmel mit den Sternen.

Himmlisch ist die Menschenseele
Die vermag zum ew'gen Leben,
frei von Erdendruck und Fehle,
Wahrhaft Schönes zu erheben.


.....eben blätterte ich ein wenig weiter durch das Büchlein...und was sehe ich da plötzlich. Mein lieber Opa hat Hafiz gekannt!! und geschätzt, wie ihn vielleicht nur ein Dichter schätzen kann, und wie bei Goethe, der ja angelehnt an des Hafisens "Gedichte aus dem Divan", seinen eigenen Westöstlichen Divan schrieb, findet sich auch Hier auf Seite 171 ein Gedicht ein Gedicht namens "Hafisisch" (beim ersten Lesen las ich Haifisch ;) Ich habe es bis jetzt noch nicht ganz gelesen, und werde es jetzt beim Abtippen genau so frisch lesen, wie ihr, die ihr das hier lest, und doch bin ich froh in Überzeugung, dass diese Worte unser aller Liebe gewidmet sind:

Das Leben ist dem Becher gleich,
Die Liebe ist darin der Wein;
Wer einmal ihn gekostet hat,
Des Herz wird stets gefangen sein.

Mein süßes Mädchen, du und ich
Verstehn allein den tiefen Sinn;
Verloren darf am Lebensschluß
Kein Tropfen uns gegangen sein.

Die Welt mag voller Thorheit stets,
Mag nüchtern und prosaisch sein,
Wir aber wollen ihr zum Trutz,
Von süßem Rausch umfangen sein.

Das ist die Weisheit, die uns führt
Auf Erden schon ins Himmelreich
Mag auch die Welt voll List und Lug
Voll Teufel und voll Schlangen sein.

In uns ist Gott und wir in ihm,
Weil wir die Liebe selber sind
So sind wir stets in treuer Hut
und dürfen ohne Bangen sein.

Komm, küsse mich, umarme mich
Und lächle in die Welt hinein,
Und weinst du je, an meinem Hals
Sollst du sofort gehangen sein.

~

Franz Poppe